Michael Günter und Georg Bruns schreiben in ihrem grundlegenden Buch: Psychoanalytische Sozialarbeit, Praxis – Grundlagen – Methoden:

„Psychoanalytische Sozialarbeit ist ein Ansatz des sensiblen Umgangs mit sozialer Not und sozialen Konflikten, denen der Einzelne ausgesetzt ist. Sie ist immer dann angebracht, wenn neben sozialen Problemen auch seelische Störungen oder anhaltende Störungen familiärer Beziehungen bestehen. Viele psychisch kranke Kinder, Jugendliche und Erwachsene erhalten soziale Notsituationen als Teil ihrer seelischen Störung unbewusst aufrecht und lassen alle üblichen Ansätze der sozialen Hilfesysteme scheitern. Mit Hilfe eines psychoanalytischen Denkansatzes werden solche Prozesse einer sozialen Autodestruktion verstehbar. Ihr Verständnis ermöglicht es Sozialarbeitern, Pädagogen, Ärzten und Vertretern anderer Berufe, Vorstellungen von einer günstigen Veränderung gerade bei diesen scheinbar nicht zu beeinflussenden Klienten zu entwickeln.“

Es gibt verschiedene Gründe, warum aktuell der Bedarf nach Psychoanalytischer Sozialarbeit wieder steigt, nachdem die Psychoanalyse sowohl in den Curricula der Sozialarbeiter-Ausbildung als auch in vielen Praxisfeldern der Sozialarbeit seit den 90er Jahren eher ins Hintertreffen geraten war.

• gesellschaftliche Ursachen: Angesichts der Entwicklungstendenzen des globalen Kapitalismus wie Beschleunigung des sozialen Lebens, erhöhte Leistungs- und Bildungsanforderungen, Virtualisierung und Digitalisierung der Welt, zunehmende Kluft von arm und reich; angesichts des verzweifelten Bemühens der Politik und der Wissenschaften in allen Feldern, in den Griff bekommen zu wollen, was sich nicht in den Griff bekommen lässt , nimmt die Zahl der Menschen zu, die nicht mehr Schritt halten können. Dies hat psychosoziale Folgen: ob die Zahl manifester psychischer Erkrankungen absolut zunimmt, mag dahin gestellt bleiben, die Komplexität der psychosozialen Problemlagen steigert sich.
• ambulante Psychotherapie: Psychotherapie, auch psychoanalytische Psychotherapie, kann im Rahmen des Medizinsystems wegen der Beschränkung auf die Bearbeitung innerpsychischer Konflikte immer mehr Menschen mit ihren sozialen Konflikten nur unzureichend helfen.
• stationäre Psychiatrie und Psychotherapie: angesichts immer weiter sinkender Behandlungsdauern bleiben für die außermedizinischen Hilfesysteme wie Jugend- und Eingliederungshilfe immer mehr Aufgaben übrig.
• die Jugend- und Behindertenhilfe mit ihren Standardisierungstendenzen, mit Ziel-, Planungs- und Ressourcen-Orientierung, mit der zeitlichen Begrenzung von Hilfen, bewirkt gelegentlich auch, dass Menschen als „Systemsprenger“ aus dem Hilfenetz herausfallen.

Psychoanalytische Sozialarbeit operiert insofern in einem „Niemandsland“ zwischen Psychiatrie, Psychotherapie im Rahmen des Medizinsystems und Jugend- sowie Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen

Deshalb gibt es viel zu tun für Psychoanalytische Sozialarbeit……..